Eindrücke aus der zweiten Reihe
Die drei Steyrer Freikirchen (Baptisten, Mennoniten, Pfingstgemeinde), die nun seit der Anerkennung der „Freikirchen in Österreich“ unter einem konfessionellen Dach vereint sind, traten am 20. Oktober mit einem „Fest der Kirchenvielfalt“ an die Öffentlichkeit. Der Saal des Dominikanerhauses war mit über 120 Plätzen voll besetzt. Meine Frau und ich saßen in der zweiten Reihe, und aus dieser Perspektive heraus gebe ich einige Eindrücke über diese Feier und einige Hintergründe weiter.
Gleich vorweg: Es war ein erstaunlich persönliches, kurzweiliges Programm, das den Besuchern geboten wurde. Zwischen den Beiträgen der Vertreter der drei feiernden Gemeinden und den Grußworten der evangelischen und katholischen Kirchen, sowie der Stadt Steyr und den „Freikirchen in Österreich“, führte Timm Smutny (Pastor der Gemeinde am Schlosspark) souverän durch den Abend. Musikalische Beiträge von Francesco Mazzinelli und Rahel Danninger (FCG Linz) verliehen dem Ganzen einen feinen musikalischen Rahmen. Für die tollen optischen Eindrücke sorgten großflächige, bunte Bilder des afrikanischen Künstlers Solomon Okpurukhre.
Der erste Redner war Walter Klimt, der herzliche Grüße als Sprecher der „Freikirchen in Österreich“ überbrachte. Er strich den überraschend kurzen Prozess des Sich-Findens der fünf freikirchlichen Verbände heraus – dass innerhalb zweier intensiver Jahre die Anerkennung durch den Staat erreicht worden war, grenze an ein Wunder. Er sparte auch nicht mit Lob für die veranstaltenden Steyrer Gemeinden, sind sie doch die ersten in Österreich, die sich mit einer Pressekonferenz und einem Festakt an die Öffentlichkeit wenden, kommunikativ unterstützt durch einen ansprechenden Folder.
Friedrich Rößler, der Senior Pfarrer der Evangelischen Kirche in Steyr, ging auf die Geschichte ein: Der Dominikanersaal war während der Reformation Teil des evangelischen Gymnasiums. Nach der Gegenreformation sei für Jahrhunderte das evangelische Zeugnis in Steyr verstummt, bis Ende des 19. Jahrhunderts durch zugezogene Handwerker wieder eine evangelische Gemeinde entstand. Er könne gut nachvollziehen, wie das Warten auf die volle Anerkennung als Kirche langen Atem brauchte, so Pfr. Rößler, hatten die Evangelischen in Österreich doch selbst erst 1961 diesen Status zugesprochen bekommen. Darum gratuliere er ganz herzlich und freue sich vor allem über das gemeinsame Zeugnis von Jesus Christus, der nach 1Kor 3,11 die Grundlage unserer Einheit sei.
Besondere Resonanz fanden bei mir – und am Klatschen vieler, auch bei anderen erkennbar – die Worte des Repräsentanten der katholischen Kirche, Dekanatsassistent Klaus-Peter Grassegger. Er staune und freue sich über das Glaubenszeugnis freikirchlicher Christen, begann er seine sehr persönlichen Worte. Er wünsche sich, dass die Freikirchen ihn und seine katholischen Mitchristen „mitnehmen“ würden in das öffentliche und glaubwürdige Zeugnis für Christus mitten in der Gesellschaft.
Vizebürgermeister Wilhelm Hauser sprach in seinem Grußwort den Beitrag der Freikirchen in der Förderung der Integration von Menschen aus verschiedenen Kulturen an. Die Stadt Steyr begrüße jedes Engagement in dieser Richtung und freue sich in Zukunft auf eine stärkere Zusammenarbeit mit den Freikirchen.
Das Wichtigste des Abends passiere erst nach dem individuellen Segensgebet durch die fünf anwesenden Pastoren bzw. Kirchenleiter, kündigte Timm Smutny an – aufeinander zugehen und informelle Gemeinschaft haben! Das reichliche Angebot des Buffets erlaubte ein langes Zusammensein, was viele auch nutzten.
Mein Platz in der zweiten Reihe war nicht nur geografisch gemeint, sondern auch im übertragenen Sinn. Ich freue mich sehr, dass unser Sohn Tobias als Pastor der FCG Steyr vorne stand, oder Timm Smutny als mein Nachfolger als Pastor der Mennonitischen Freikirche. Gott sei Dank: Jüngere Christen sind in Leitungsverantwortung hineingestiegen und treiben die Arbeit voran, während ich meinen Platz im nicht minder wichtigen Hintergrund gefunden habe.
Dass diese Feier Ausdruck eines gewachsenen Miteinanders über konfessionelle Grenzen hinweg war, hat wohl auch damit zu tun, dass sich seit einigen Jahren Leiter aus einigen Freikirchen und der evangelischen und katholischen Kirche zum Beten, Singen und Einander-Segnen treffen. Dieses persönliche Kennenlernen – über den Rahmen der Evangelischen Allianz hinaus – lässt Vertrauen und Wertschätzung wachsen und verhilft dazu, das große Gemeinsame zu sehen, anstatt uns weiterhin von den Unterschieden auf Abstand halten zu lassen.
Beim großen „Fest der Kirchenvielfalt“ vor Gottes Thron werden alle Nachfolger des Herrn Jesus beweisen wie vielfältig seine Gemeinde – und seine Gnade – wirklich ist! Unsere konfessionellen Unterschiede werden dort, so meine ich, keine Rolle mehr spielen.
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